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An der Grenze zum Kreis Kassel lagert Atommüll: Eine Gefahr für die Region?

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Kreis Kassel. Seit 20 Jahren produziert das Kernkraftwerk Würgassen nahe Beverungen keinen Strom mehr. Doch noch immer steht der Klotz direkt an der Weser - und lagert auch noch radioaktiven Müll.

Video: Wir waren 2014 im Kernkraftwerk Würgassen

Nach wie vor lagern dort 7400 Tonnen schwach- und mittelradioaktiver Abfall auf dem Kraftwerksgelände – kaum 50 Kilometer Luftlinie von Kassel entfernt. Der Abfall stammt noch aus dem Rückbau der Anlage in den Jahren 1997 bis 2014. 35.000 Tonnen Systeme und Bauteile, darunter auch der komplette Reaktorblock, wurden in dieser Zeit abgebaut. Konstruktionsbedingt waren viele dieser Teile hochgradig radioaktiv (siehe unten).

Aus diesem Rückbau stammen auch noch diese 7400 Tonnen Müll, die dort immer noch zwischengelagert werden. Ergibt sich daraus eine ernste Gefahrenlage?

„Tatsächlich handelt es sich bei dem schwach bis mittelstark belasteten Abfall um verschiedene Stoffe – vom Reaktorteil bis zum Putzlappen“, sagt Kraftwerksleiter Markus Wentzke. Merkmal dieser radioaktiven Reste sei es, dass die Wärmeentwicklung vernachlässigbar ist.

„Das unterscheidet den schwachen bis mittelstarken Strahlenmüll von hoch radioaktiven Abfällen – wie die abgebrannten Brennelemente aus dem Kraftwerksbetrieb“, sagt Wentzke. Diese seien allesamt schon 1996 nach La Hague zur Wiederaufbereitung gegeben worden, was seinerzeit noch möglich gewesen sei. Die Radioaktiv-Transporte seien mit entsprechend gesicherten Verpackungen – ähnlich der der Castor-Behälter – erfolgt.

Blick zurück ins Atomzeitalter: Das Bild aus dem Jahr 1988 zeigt den Reaktorblock und die beiden Kühltürme des Kernkraftwerks Würgassen. Die Kühltürme existieren inzwischen nicht mehr.
Blick zurück ins Atomzeitalter: Das Bild aus dem Jahr 1988 zeigt den Reaktorblock und die beiden Kühltürme des Kernkraftwerks Würgassen. Die Kühltürme existieren inzwischen nicht mehr. © Archivfoto: Haun

„Alles andere – meist handelte es sich um Metalle, Beton und Kunststoffe – konnte so gut gereinigt werden, dass es von der zuständigen Behörde freigegeben und als Wertstoff verwertet oder als gewöhnlicher Abfall entsorgt werden konnte“, sagt Wentzke. „Für die Abfälle, die hier jetzt noch liegen, war das nicht möglich gewesen. Sie wurden chemisch stabilisiert, in eine Form gebracht und so verpackt, dass Mitarbeiter sie handhaben können.“

Die Art und Weise der Lagerung entspreche besonderer Strahlen-, Arbeitsschutz- und Sicherheitsbestimmungen. „So gibt es außerhalb des Zwischenlagers keine erhöhte Strahlung“, sagt Wentzke. Und selbst im unwahrscheinlichsten Havarieszenario gehe keine Gefahr für die Bevölkerung von diesen Abfällen aus. So stünde auch einer mehrjährigen Zwischenlagerung nichts im Wege.

Bekanntlich sollen die 7400 Tonnen Abfall nach adäquater Vorbereitung in das Bundesendlager Konrad bei Salzgitter gebracht werden.

Doch das wird frühestens 2022 möglich sein. „Erst danach – und nach erneuter Prüfung und möglicherweise erforderlicher Reinigung des Reaktorgebäudes – können wir voll umfänglich abreißen“, sagt Wentzke.

Endlager Konrad wird noch geprüft

Die Einlagerung der radioaktiven Abfälle aus dem Kernkraftwerk Würgassen (7400 Tonnen) soll im Schacht Konrad in einem ehemaligen Eisenerz-Bergwerk bei Salzgitter (Niedersachsen) erfolgen. Die ersten Pläne stammen bereits aus den 1980er-Jahren. Die jüngste Genehmigung basiert auf dem Technik-Stand von 2007, muss aber, da es sich größtenteils um einen Neubau handelt, an die heute gültigen Vorschriften angepasst werden. 

Dafür müssen mehrere Milliarden Euro investiert werden. Derzeit laufen die Vorbereitungen für die erneute Prüfung und den Nachweis, dass vom Endlager Konrad auch nach den aktuellen Anforderungen keine Gefahren ausgehen werden. Erst nach dieser Überprüfung wird der Schacht Konrad – vermutlich im Jahr 2022 – seinen Endlagerbetrieb aufnehmen können.

Kernkraftwerk war 19 Jahre lang in Betrieb

Das Kernkraftwerk Würgassen war das erste rein kommerziell genutzte Kernkraftwerk in Deutschland. Es wurde von 1968 bis 1971 erbaut und war von 1975 bis 1997 in Betrieb. Es erzeugte 72,9 Mrd. kWh Strom. Das Kraftwerk Würgassen war mit einem Siedewasserreaktor ausgestattet – dem technisch einfachsten Reaktortyp. 

Hauptmerkmal dabei ist, dass das eingesetzte Wasser zur Energieübertragung in nur einem Kreislauf gleichzeitig als Kühlmittel für den Reaktor und – in Form von Dampf – als Antriebsmittel für den Generator (über eine Hochdruckturbine) dient. Der Kreislauf des radioaktiv belasteten Wassers ist somit nicht auf den Sicherheitsbehälter (Stahlmantel um den Reaktorkern herum) allein beschränkt, sondern führt auch zur Kontamination von wesentlichen Bauelementen außerhalb wie der Turbine, des Kondensators und der Wasserpumpen, was allgemein die Fehleranfälligkeit (viele Teile) und damit auch das Sicherheitsrisiko erhöht. Bei Störfällen kann so auch außerhalb des Sicherheitsbehälters durchaus Radioaktivität austreten. 

Mitte der 1990er-Jahre wurden bei einer Revision Haarrisse im Stahlmantel des Reaktorkerns gefunden. Die Betreiberin Preussen Elektra beantragte daraufhin im Jahr 1995 aus wirtschaftlichen Gründen eine Stilllegungs- und Abbaugenehmigung. Von 1997 bis 2014 wurde das Kraftwerk für über eine Milliarde Euro zurückgebaut und von radioaktiven Stoffen befreit.

Wo liegt das Kernkraftwerk Würgassen? 

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